Im September-Interview 2010 stellen wir euch Matthias Fritz und seinen Werdegang von adidas über Sportfive hin zu GMR Marketing vor. Weiterhin gab er uns einen exklusiven Einblick in die Tätigkeit bei der letzten WM und beschreibt seinen persönlichen Eindruck über die WM in Südafrika aus nächster Nähe.
Moin Matthias!
Zunächst vielen Dank, dass du uns für ein Interview zur Verfügung stehst. Zunächst auch an dich die Frage, wo deine Heimat und deine Wurzeln liegen?
Meine Heimat liegt im schönen Schwabenländle und ursprünglich komme ich aus Tübingen. Dort habe ich auch mein Abitur gemacht und bin dann nach dem Zivildienst nach Salzgitter gezogen um dort Sportmanagement zu studieren. Zu dem Zeitpunkt, als es um die Entscheidung ging wo ich hingehe, gab es als Alternativen noch Bayreuth, Köln und Koblenz, wo das Studium aber eher so aufgebaut war, dass man Sport und BWL mehr oder weniger parallel studierte.
Warum hast du dich dann für Salzgitter entschieden?
Dort schien mir der Themenkomplex integrierter und meiner Meinung kam es nicht darauf an, am Ende des Tages die 100m in 11 Sekunden zu Sprinten, sondern auf die Fähigkeiten aus den Bereichen BWL und Marketing, angewandt im Sportbusiness. Weiterhin überzeugte mich der Praxisbezug mit damals noch 2 Praxissemestern und Vorpraktikum. Das hat mich dann schlussendlich zu der Entscheidung gebracht mein Studium in Salzgitter aufzunehmen.
In Deutschland wird derzeit intensiv über den Zivildienst diskutiert. Du selbst hast vor Beginn deines Studiums ebenfalls deinen Zivildienst abgeleistet. Was hast du gemacht und hat dir die Tätigkeit rückblickend was gebracht?
Definitiv! Ich habe beim Roten Kreuz gearbeitet und bin dort als Rettungssanitäter im Einsatz gewesen. Das war rückblickend ein unheimlich wertvolles Jahr. Ich hatte direkt nach dem Abitur noch nicht 100%ig eine Vorstellung davon, was ich studieren will. Ich hab geschwankt zwischen BWL, Sportmanagement, Medizin und Jura. Nach dem Zivildienst stand dann für mich fest nicht Medizin studieren zu wollen. Das Jahr habe ich zur Orientierung genutzt.
Konntest du in der Zeit auch praktische Erfahrung sammeln?
Ja klar. Das war außerhalb von Ferienjobs eine Möglichkeit praktische Erfahrungen im „Berufsalltag“ zu sammeln, mit geregelte Arbeitszeiten, dem Umgang mit Arbeitskollegen, usw. Das Jahr Zivildienst war auf jeden Fall wertvoll für meinen weiteren Werdegang. Die Tätigkeit im Rettungsdienst begleitet mich auch heute noch.
Bist du zum Studieren dann direkt nach Salzgitter gezogen oder bist du nach Braunschweig gegangen?
Zunächst bin ich nach dem Zivildienst für 2 Monate nach Neuseeland Backpacking gegangen. Als ich losgeflogen bin, stand noch nicht final fest, wo ich hingehen würde. Unterwegs hab ich mich dann endgültig für Salzgitter entschieden und aus der Ferne eine Wohnung in Salzgitter-Bad besorgt. Als ich zurückkam, bin ich dann direkt vom Frankfurter Flughafen nach Salzgitter gefahren, da das Studium losging. So bin ich zunächst nur mit einem Rucksack dort aufgeschlagen. Ich hab dann für ein knappes Jahr in Salzgitter-Bad gelebt und bin dann relativ zeitig ins Studentenwohnheim gezogen.
Wie war dein erster Eindruck von Salzgitter?
Da ich aus Tübingen stamme und damit aus einer absoluten Studentenstadt, war Salzgitter vergleichsweise schon ein kleiner Kulturschock. Ich bin da aber absolut offen rangegangen und wollte das Beste daraus machen. Salzgitter hat ja auch positive Aspekte auch außerhalb der FH. Es gibt schon einige schöne Ecken, viel Wald und Seen, unzählige Möglichkeiten für Freizeitsport wie Joggen, Radeln oder Inline- Skating. Aber auch von der Tatsache, dass die FH vergleichsweise klein ist, profitiert man als Student. Dadurch, dass wir nicht so viele Studenten waren, kannte man nach kurzer Zeit jeden im Semester. Mit der Hälfte der Leute hab ich heute noch Kontakt. Da eine sehr familiäre Atmosphäre herrschte, war man mit den Profs größtenteils auch per du. Wenn du in einer großen Uni mit 500 Leuten im Hörsaal sitzt, kennst du nicht mal deinen Nebensitzer. Hinzu kam, dass ich während des Studiums meine Frau kennengelernt habe. Von daher war Salzgitter ein Glücksfall und die richtige Entscheidung.
Du bist schon während deiner Studienzeit sehr aktiv gewesen und hast Praktika unter anderem bei adidas und Sportfive absolviert. Wie ist es da zu dem Kontakt gekommen?
Ich fand es unglaublich wichtig, dass man schon während der Studienzeit so viele praktische Erfahrungen wie möglich sammelt und viele Kontakte herstellt. Im Endeffekt hat mich fast niemand nach meinen Noten gefragt, sondern immer nur nach Praxiserfahrungen. Ich hab mich bei adidas auf einen Ferienjob in deren Eventabteilung beworben, die im Bereich Grassroots und Point Of Sales in der Sportartikelbranche aktiv war, was mich sehr interessiert hat. Das habe ich dann auch genutzt um mein Vorpraktikum zu machen. Wenn man sich dann gut anstellt und einen Fuß in die Tür bekommt, dann kann eine längere Geschichte daraus werden.
Hat sich durch diese Vorpraktikum für dich eine Möglichkeit ergeben, dort länger bei adidas tätig zu werden?
Ja, ich habe neben dem Studium dort weitergearbeitet, mir dadurch auch ein wenig mein Studium finanziert und schließlich konnte ich dadurch mein Praxissemester bei adidas absolvieren.
Was hast du in deinem Praxissemester dann konkret gemacht?
Ich hatte die Gelegenheit für adidas Middle East in Beirut zu arbeiten. Zufälligerweise war zu der Zeit der Asien Cup im Libanon, das Pendant zur EM in Europa.
Die Auslandserfahrung war rückblickend noch mal wichtiger als die rein praktische Tätigkeit, da sie einen von der Masse abhebt und die meisten Unternehmen heute global/ international tätig sind.
Im 2. Praxissemester hast du dann für Sportfive in Malaysia gearbeitet. Wie ist es dazu gekommen?
Damals hatte ich mehrere Agenturen und Unternehmen weltweit angeschrieben, unter anderem auch das Office von Sportfive in Asien, ohne einen direkten Kontakt vorher gehabt zu haben. Das war auf jeden Fall ein sehr erfolgreiches halbes Jahr, indem ich in der Sportrechtevermarktung für fast ganz Asien tätig war. Man war den ganzen Tag mit unterschiedlichen Kulturen und Märkten in Kontakt und das war natürlich sehr abwechslungsreich und spannend!
Du hast also absichtlich den Weg ins Ausland gewählt?
Ja, nach dem 1. Praxissemester in Beirut habe ich sozusagen „Lunte gerochen“ und wollte die Auslandserfahrung noch einmal wiederholen, weil besonders die Erfahrung mit unterschiedlichen Kulturen und Menschen in einer anderen Sprache absolut prägend ist.
Kannst du aus diesen Erfahrungen eine Sache herausheben, die besonders prägend und nachhaltig war?
Die Tätigkeiten waren sehr verschieden. Bei Sportfive handelte es sich eher um einen Sales-Job. Emotional ist die Erfahrung in Beirut höher einzuschätzen. Zunächst war es das erste Mal, dass ich im Ausland gearbeitet habe. Ich konnte die libanesische Mannschaft betreuen und war überall mit dabei – im Mannschaftsbus, in den Katakomben und während des Spiels auf der Bank. Das war einfach unheimlich spannend und emotional. Natürlich waren auch die arabischen Fans eine Klasse für sich. Das war definitiv das emotionale Highlight.
Wie war dein Werdegang dann nach dem Studium?
Zunächst habe ich weiter für adidas als Freelancer im Bereich Grassroots, Sales Support und Produkttraining gearbeitet. Zwischendurch war ich für mehrere Monate im Headquarter in Herzogenaurach und habe dort ein Projekt im global Trendmarketing übernommen. Dann fing ich an mich zu bewerben, mit dem Ziel im Rahmen der FIFA WM 2006 tätig zu werden, zumal ich auch meine Diplomarbeit in Zusammenarbeit mit der FIFA Marketing geschrieben habe. Die Jobs waren natürlich rar gesät und sehr gefragt. Ich habe dann von einem Praktikum bei Schmidt und Kaiser in München gehört, dass im Rahmen der Euro 2004 in Portugal stattfand. Dort ging es um die Umsetzung des Sponsorships von T-Mobile International, die sich relativ kurzfristig engagierten. Das Praktikum hab ich dann absolviert und aus den 6 Monaten sind jetzt 6,5 Jahre Festanstellung geworden, auch wenn die Firma mittlerweile anders (GMR Marketing) heißt.
Das heißt du hast dich dann auch bewusst für die Tätigkeit in einer Agentur entschieden?
Ja. Zu Beginn war das Gehalt zwar deutlich niedriger als auf Unternehmensseite und man musste sich hocharbeiten, aber rückblickend war das die richtige Entscheidung. Durch den guten Footprint der Agentur im Sponsoring hatte ich die Möglichkeit in allen großen Properties im Fußballbereich zu arbeiten, wie die Euro 2004 und 2008 und die WM 2006 in Deutschland. Nach der WM habe ich dann das Hauptsponsorship der Deutschen Telekom bei Bayern München betreut, was damals das höchstdotierte in Europa war. Danach ging es dann um die Euro 2008 und in der Zeit begann dann auch schon die Planung für die WM 2010 in Südafrika. Vor 2 Jahren bin ich dann dafür nach Johannesburg gezogen.
War es dann auch dein Wunsch im Ausland tätig zu werden, oder ergab sich das einfach?
Nach der Heim-WM 2006 stand für mich fest, noch mal länger im Ausland arbeiten zu wollen. Dadurch, dass meine Frau diesen Wunsch mittrug, fiel die Entscheidung relativ leicht, für 2-3 Jahre ins Ausland zu gehen. Besonders durch die Erfahrungen, die ich während der EUROs und der WM gesammelt hatte, bot es sich an, unsere Projekte in Südafrika zu übernehmen.
Da du ja bei der WM live mit dabei warst, stellt sich die Frage, wie du die WM bewertest und ob man das mit der WM 2006 in Deutschland vergleichen kann?
Zunächst muss man sagen, dass man das eigentlich nicht vergleichen kann. Grundsätzlich war die WM ein riesen Erfolg und es war die richtige Entscheidung, die WM nach Südafrika zu vergeben. Das Bild von Südafrika im Ausland hat sich dadurch stark zum Positiven gewandelt, da im Vorfeld der WM sehr negativ über die WM berichtet wurde, v.a. aus Europa. Es ging ja vor allem darum, ob man es rechtzeitig schaffen würde, die Stadien fertig zu stellen und das stand hier nie zur Debatte. Deutschland war da absolut die Ausnahme, als die Stadien schon ein halbes Jahr vor Beginn der WM fertig waren. So wurde in Portugal und Athen 2004 bis zum Eröffnungstag gearbeitet.
Ich denke auch, dass die multikulturelle Stimmung und die bunten Bilder aus den Stadien oder auch vom Eröffnungskonzert aus Soweto sehr gut rübergekommen sind und ein Stück afrikanische Lebensfreude in die europäischen Wohnzimmer übertragen haben.
Vielen war im Vorfeld nicht so richtig bewusst, dass wenn die WM stattfindet, in Südafrika gerade Winter herrscht.
Das war eine Premiere, eine WM im Winter. Ein wenig hat das schon die Stimmung gedrückt und es gab keine so großen Feten auf den Straßen wie in Deutschland 2006. Als Vergleich ein kleines Beispiel. Nach Deutschland kamen drei Millionen ausländische Fans, von denen nur eine Million überhaupt ein Ticket hatte. Sprich zwei Millionen waren einfach da um Party zu machen. Das war hier natürlich anders. Hier hatten wir knapp 300.000 ausländische Fans, von denen die meisten mehrere Tickets hatten, gutbetucht waren und die Zeit auch dazu verwendet haben, auf Safari zu gehen und abends eher ins Hotel gegangen sind, als auf ein Fanfest bei 0°C. Von daher ist ein Vergleich einfach nicht möglich und gerecht. Die Stimmung in den Stadien war großartig, trotz oder auch wegen der Vuvuzelas. Das Bild, das von Südafrika transferiert wurde, war durchweg positiv. Zudem hat die WM innerhalb von Südafrika enorm zum Nationbuilding beigetragen, auch wenn das Heimteam schon früh ausgeschieden ist.
Wie geht es jetzt für dich nach der WM und der dazugehörigen Nachbereitung weiter?
Wir werden die Zelte Ende Oktober 2010 hier abbrechen und wieder zurück nach München gehen. Dort werde ich dann sehen, was für Projekte anstehen. Die WM 2014 in Brasilien ist auf jeden Fall ein attraktives Thema, v.a. da ja auch zwei Jahre später dort die Olympiade in Rio stattfindet. Meine Frau und ich könnten uns durchaus vorstellen, nochmal für längere Zeit mit unserem Kind ins Ausland zu gehen. Aber zunächst freuen wir uns auf ein Jahr Deutschland.
Schaffst du es dann noch, trotz deiner Berufstätigkeit sportlich aktiv zu sein?
Ich versuche so gut wie es geht Sport zu treiben, auch wenn hier in Johannesburg die Möglichkeiten ein wenig limitiert sind, da man nicht so viel Sport draußen machen kann. Daher bin ich das erste Mal einem Fitnessstudio beigetreten und habe angefangen zu Golfen. In München werde ich dann wieder mehr Outdoor-Sportarten machen wie Skifahren, Bergsteigen und auch wieder mehr Tennis und hoffentlich Fußball spielen.
Warum sind die Sportarten in Johannesburg draußen limitiert?
Das liegt im Winter zum einen an den Temperaturen, zum anderen aber auch am Thema Sicherheit. Tagsüber ist es kein Problem hier Joggen zu gehen, aber wenn es dunkel ist, sollte man das nicht tun. Zudem wird es hier auch im Sommer relativ früh dunkel und da ist das Fitnessstudio dann leider die einzige Alternative.
Wie schwer ist es für dich Familie und Job, besonders im Ausland, miteinander zu vereinbaren?
Das ist auf jeden Fall eine Umstellung und wirkt sich vor allem dahingehend aus, dass sich die Freizeitaktivitäten verschieben. Beruflich stellt es eigentlich kein Problem dar. Ich kann meine Arbeitszeiten hier relativ flexibel gestalten und dann abends von zu Hause aus arbeiten. Das geht eigentlich ganz gut.
Wie bewertest du rückblickend deine Studienzeit in Salzgitter?
Ich erinnere mich sehr gern zurück an die Zeit. Wir hatten gemeinsam wirklich unglaublich viel Spaß und ich habe unglaublich wertvolle Menschen kennengelernt, weit über das Geschäftsleben hinaus! Ich komme schon aus familiären Gründen regelmäßig und immer wieder gerne nach Salzgitter zurück.
Gibt es eine Anekdote, die dich heute immer noch schmunzeln lässt und dich an deine Studienzeit zurück erinnert?
Da gibt es sicherlich einige. Ich erwähne an dieser Stelle nur die Scheine „Jolly 1-7“.
Welchen Rat würdest du jetzigen Studenten mit auf den Weg geben?
Man sollte so früh wie möglich praktische Erfahrungen sammeln, schon neben dem Studium als Freelancer oder ähnliches in relevanten Bereichen zur arbeiten. Weiterhin ist je nach angestrebtem Berufszweig ein Auslandssemester unglaublich wichtig. Die praktische Erfahrung ist am Ende des Tages das was zählt, Eindruck im Lebenslauf macht und einen von anderen Bewerbern unterscheiden kann. Und wenn es mal nicht gleich klappt, sollte man nicht den Kopf in den Sand stecken und weiter positiv und pro-aktiv an die Zukunft heran gehen.
Wir wünschen dir weiterhin viel Erfolg bei deiner Tätigkeit für GMR Marketing und wünschen dir und deiner Familie alles erdenklich Gute!