Interview des Monats Mai mit Benjamin Chatton (Handball Balingen+Weilstetten / SZ 2001)

Für den Wonnemonat Mai konnten wir Benjamin Chatton, Geschäftsführer des Handball-Bundesligisten Handball Balingen+Weilstetten gewinnen. Er gab uns einen umfassenden Einblick in sein Arbeitsumfeld, seine Aufgaben, die Besonderheiten an seinem Job, über seine Studienzeit in Salzgitter und weitere spannende Fakten.

Hallo Benjamin!

Schön, dass du Zeit gefunden hast, uns ein Interview zu geben. Als erstes würde ich gerne von dir wissen, wo deine Wurzeln liegen und wann du dich dazu entschieden hast, Sportmanagement zu studieren?

Ich komme ursprünglich aus Groß Steinum, einem kleineren Ort in der Nähe von Helmstedt. Nach dem Abitur habe ich zunächst meinen Zivildienst erfolgreich abgeleistet und mir in diesem Jahr Gedanken darüber gemacht, was ich studieren möchte. Einerseits sollte es natürlich mit meinen Interessen zusammenpassen, andererseits sollte es auch nicht allzu weit weg von meinem Heimatort sein. Daraufhin habe ich mich für den noch jungen Studiengang Sportmanagement an der FH in Salzgitter entschieden.

Hast du dann weiterhin in deinem Heimatort gewohnt oder bist du nach Salzgitter gezogen?

Für das Studium bin ich nach Braunschweig gezogen und habe dort für die Zeit meines Studiums gewohnt.

Wie ist es zu deiner aktuellen Anstellung beim HBW (Handball Balingen+Weilstetten) gekommen?

Nach dem Studium habe ich zunächst ein Jahr für den Wilhelmshavener HV gearbeitet und bin anschließend zum TBV Lemgo gewechselt, wo ich zwei Jahre lang als kaufmännischer Leiter angestellt war. Während dieser Zeit wurde ich auf die Stellenausschreibung beim HBW Balingen+Weilstetten aufmerksam, bei dem die Stelle als Geschäftsführer vakant war. Wenn man die Geschäftsführer in der TOYOTA Handball-Bundesliga (HBL) anschaut, sind viele durch ehemalige Profis besetzt. Die Chance als Geschäftsführer tätig zu werden war nahezu einmalig. Beim TBV Lemgo wären die persönlichen Weiterentwicklungsmöglichkeiten kurzfristig schwieriger gewesen.

Wie bist du auf die Stellenausschreibung aufmerksam geworden?

Die HBL an sich ist einfach ein überschaubares Konstrukt, sprich man kennt sich mit der Zeit. Wenn so eine Stelle frei wird, bekommt man davon auch entsprechend was mit. Daraufhin habe ich mich dort beworben und bin dort durch ein normales Bewerbungsverfahren mit einer Personalberatung gegangen. Es gab zwei gute Gespräche, bei dem wir gemeinsame Ziele definiert und beschlossen haben, die innerhalb der nächsten drei Jahre erreicht werden sollen.

Was ist der besondere Reiz an der Tätigkeit als Geschäftsführer beim HBW?

Dazu muss man wissen, dass ich der erste hauptamtlich angestellte Geschäftsführer beim HBW bin. Mein Vorgänger war nur nebenberuflich tätig. Der Verein ist noch sehr jung und die Strukturen sind dementsprechend noch nicht verfestigt. Man kann sich viele Sachen aufbauen und mein persönlicher Einfluss ist entsprechend hoch. Zunächst haben wir klassisch unsere Stärken und Schwächen analysiert, um die weiteren Schritte vorzubereiten. Wir haben in der Organisation einiges umstrukturiert, das Sponsoringkonzept überarbeitet und beim Personal Anpassungen vorgenommen. Letztendlich hängt kurzfristig vieles von der sportlichen Entwicklung ab.

Bist du denn in deinen Entscheidungen komplett unabhängig und kannst alleine entscheiden?

Ich habe einen Angestelltenvertrag als Geschäftsführer, welcher mir operativ viele Freiräume lässt. Wenn es um Personal, sprich Spielerverträge geht, unterliege ich gewissen Absprachen, was üblich ist. Bei strategischen Entscheidungen werden aber meine Gesellschafter und teilweise auch Sponsoren mit hinzugezogen. Wenn die ganze Entscheidungsgewalt bei nur einer Person liegen würde, gibt es erfahrungsgemäß irgendwann Probleme.

Die Region Baden-Württemberg gilt nicht gerade als Handballmetropole. Wie schwer ist da euer Stand als Handballverein?

Das ist so nicht ganz richtig. Baden-Württemberg hat schon viele tolle Talente hervorgebracht und ist besonders in der Jugendarbeit sehr weit. Viele großartige Spieler und auch Nationalspieler haben hier ihre Wurzeln.
Von daher haben wir als Verein viel Zuspruch in der Bevölkerung. Allerdings haben wir innerhalb der HBL die kleinste Halle und dadurch einen Nachteil. Dementsprechend müssen wir Möglichkeiten finden, mit denen wir unseren Umsatz erhöhen können. Das ist grundsätzlich schon ein Nachteil, dementsprechend sind hier Ideen und Kreativität gefragt.

In Verbindung mit Transfers zum HBW liest man öfter deinen Namen. Welchen Draht hast du zu den Spielern?

Natürlich habe ich einen direkten und ich denke guten Kontakt zu unseren Spielern. Man darf aber nicht vergessen, dass ich in erster Linie deren Vorgesetzter bin. Obwohl viele in meinem Alter sind, gibt es da keinen größeren privaten Kontakt. Man muss darauf achten, dass man eine gewisse Distanz wahrt. Als Geschäftsführer muss man, wenn es notwendig wird, seine Standpunkte klar und deutlich vertreten können. Zudem muss ich auch mitentscheiden, welche Verträge verlängert werden und welche nicht. Das fällt als Kumpel schon schwerer und die Wahrnehmung ist eine andere.

Das heißt, wenn es bei euch sportlich schlecht läuft, greifst du auch mal ein und „haust auf den Tisch“?

Erster Ansprechpartner ist natürlich der Trainer (Dr. Rolf Brack), der die Verantwortung für den sportlichen Bereich hat. Als Geschäftsführer habe ich wenig direkten Einfluss auf die sportliche Leistung der Mannschaft. Das möchte und muss ich auch gar nicht, denn dafür haben wir einen Trainer. Wenn wir aber eine negative Tendenz haben oder uns sportlich nicht entsprechen unserer Philosophie präsentieren, gibt es Redebedarf. Gleiches gilt auch, wenn jemand sich daneben benimmt oder es um Vertragsangelegenheiten geht.
Ob man dafür auf den „Tisch hauen“ muss, sei mal dahingestellt.

Wie ist dein Kontakt zu Dr. Rolf Brack?

Zum Trainer pflege ich einen sehr engen aber professionellen Kontakt. Unsere Mannschaft trainiert morgens und abends, so dass ich eigentlich einmal täglich kurz beim Training bin, damit wir uns über verschiedenste Dinge austauschen können. Dann geht es unter anderem über Probleme und Anliegen innerhalb der Mannschaft, aber natürlich auch um Organisatorisches. Ich mische mich aber nicht in die Mannschaftsaufstellungen oder Ähnliches ein, das ist der Job des Trainers.

Du galtest bei deiner Anstellung beim HBW noch als eine Art „Jungspund“. Wirst du heute immer noch so wahrgenommen?

Das müsste man wahrscheinlich andere Fragen. Ich habe nicht den Eindruck, dass ich nach meinem Alter beurteilt werde. Durch meine Zeit in Wilhelmshaven und in Lemgo bin ich seit drei Jahren in der Liga, so dass man nicht wirklich neu ist. Aber in der Funktion des Geschäftsführers und für den Fokus der Presse war man der „Neue“ oder der „Jungspund“. Anfangs war es auch ungewohnt an der Spitze zu sein bzw. mehr im Fokus der Medien zu stehen. Im Handball-Magazin gab es kurz nach meiner Verpflichtung vom HBW ein Interview. Der Redakteur fragte mich, ob ich den Aufgaben qualitativ gewachsen wäre. Darauf habe ich geantwortet: „Qualität ist doch nicht nur eine Frage des Alters, sondern auch…“. Das hat er dann als Aufhänger benutzt mit dem Zitat: „Qualität ist keine Frage des Alters“. Schönen Dank…

Wenn man im Internet nach dir sucht, findet man unter anderem einen Wikipedia-Artikel über dich. Dort wird das mit dem „Jungspund“ auch nochmal zitiert…

Wenn das einmal so geschrieben wurde, wird es gerne wieder aufgegriffen. Ich finde es auch nicht schlimm und ich bin nun mal mit Abstand der jüngste Geschäftsführer in der HBL. Meine Kollegen sind im Schnitt zwischen 10 und 15 Jahre älter als ich, gleiches gilt auch für Sponsoren und Entscheidungsträger mit denen ich verhandeln muss. Die Wahrnehmung ist aber keinesfalls, dass ich der „Jungspund“ bin, die Gespräche finden in der Regel auf Augenhöhe statt. Ich mache mir da eigentlich keine Gedanken drüber.

Was machst du während des Spiels?

Ich bin bei Spielen mit der Betreuung von Sponsoren und Gästen oder der Organisation des Spieltages beschäftigt. Der Fokus liegt für mich während der Heimspiele nicht auf dem Sport, sondern bei der Organisation. Bei Auswärtsspielen ist dies für mich wesentlich entspannter. Beim Spiel ist ausschließlich der Trainer für die Mannschaft zuständig wir tauschen uns nur gelegentlich in der Halbzeit aus.

Als du noch studiert hast, hast du für den MTV Braunschweig in der Regionalliga Handball gespielt. Wie wichtig ist es, als Sportmanager in seiner Sportart erfolgreich gewesen zu sein?

Ich denke, dass es keine pauschale Antwort auf diese Frage gibt. In meiner Funktion beim TBV Lemgo war es egal ob ich Ahnung vom Handball habe oder nicht. Dort standen die BWL-Kenntnisse eindeutig im Vordergrund.
Für meine aktuelle Anstellung als Geschäftsführer ist es schon notwendig ein „Gefühl“ für die Sportart zu haben. Wenn man sich Spieler anguckt und darüber berät, ob man diesen oder jenen verpflichtet, sollte man mehr vom Handball verstanden haben, als das Regelbuch auswendig gelernt zu haben. Zudem muss ich den Medien, Sponsoren und den Zuschauern Rede und Antwort stehen, was man ohne eigene Erfahrungen nur schwer authentisch durchstehen kann.

Hast du heute noch Kontakt zum MTV Braunschweig oder verfolgst du eventuell sogar noch das Spielgeschehen beim MTV?

Der direkte Kontakt zum Verein ist leider nicht mehr vorhanden. Ich kenne aber natürlich noch ein paar Leute aus dem Umfeld des MTV. Die Erinnerungen werden aber immer wieder aufgefrischt, wenn ich auf Volker Mudrow treffe (Trainer beim TBV Lemgo). Er war mein erster Herrentrainer in Braunschweig, so dass wir da doch eine enge Verbindung zum MTV haben. Ich versuche auch die Entwicklung zu verfolgen, aber das ist leider weniger geworden, da ich zu den Spielern mittlerweile keinen Bezug mehr habe. Grundsätzlich verfolge ich das aber schon.

Findest du in deiner Freizeit noch Zeit selbst Handball zu spielen? 

Das ist bei meinem Job sehr schwierig. Besonders während der Saison sind die Arbeitstage gut gefüllt. Zudem sind an den Wochenende zumeist Spiele oder Veranstaltungen, so dass die Zeit dafür sehr gering. Hinzu kommt, dass ich leider eine Schulterverletzung habe, die sich immer wieder bemerkbar macht. Wenn ich doch mal die Zeit dazu finde, trainiere ich gelegentlich bei unserem Perspektivteam (Regionalliga Süd) mit. Das macht auch noch Spaß, jedoch ist zwischen mir als motiviertem Freizeitsportler und den 20-Jährigen Toptalenten ein Leistungsunterschied nicht abzustreiten…

Mal angenommen HBW müsste am Ende der Saison absteigen. Ist da dein Job automatisch mit in Gefahr?

Derzeit stehen wir aufgrund des besseren Torverhältnisses auf einem Nicht-Abstiegsplatz. Leider haben wir unser Heimspiel gegen TSV Dormagen nicht gewonnen, damit hätten wir uns von einem direkten Konkurrenten absetzen können. Unser Ziel ist eindeutig der Klassenerhalt, den wir auch schaffen werden. Aber selbst wenn, dann habe ich einen Vertrag für die 2. Bundesliga.

Wie hältst du dich über Innovationen und Trends im Sports Business auf dem Laufenden?

Ich versuche mich mit unterschiedlichen Sachen auf dem Laufenden zu halten, wie Fachmagazine lesen, Messen oder Kongresse besuchen, um so möglichst viele Trends und Innovationen mitzunehmen.

Wie schätzt du heute rückblickend deine Studienzeit in Salzgitter ein?

Natürlich ist es zunächst seltsam, wenn man so abgelegen und versteckt im Wald studiert! Aber im Ernst, das Campusleben war zum damaligen Zeitpunkt nicht sehr ausgeprägt. Wenn mal vorlesungsfrei Zeit war, hat jeder versucht Ablenkung außerhalb der FH zu finden. Dadurch dass ich in Braunschweig gewohnt habe, habe ich viel an studentischem Leben für mich mitnehmen können. Das Uni und Partyleben in Braunschweig hatte schon alternativen zu bieten. Das Studium an sich hat mir aber das Grundgerüst an Kenntnissen für meine Tätigkeiten mitgegeben. Von daher schätze ich das als sehr gut an und empfehle es auch immer wieder. Allgemein sehe ich bei der Einführung des Bachelors es als großen Nachteil an, dass nur noch ein Praxissemester vorgesehen ist. Das war bei uns besser.

Welchen Rat würdest du heutigen Sportmanagement-Studenten mit auf den Weg geben?

Das wurde ich schon mal bei anderen Veranstaltungen von Studenten aus Salzgitter gefragt. Zunächst gibt es sicherlich keine Musterlösung für eine Karriere oder wie man seine Ziele erreichen kann. Aber wenn man persönliche Ziele hat, sollte man dafür alles geben. Im Studium sollte jeder versuchen durch Praktika einen Bezug zur Praxis zu bekommen und Erfahrungen zu sammeln. Ein gutes Netzwerk aufzubauen und zu knüpfen ist aus meiner Sicht überlebenswichtig.
Daher auf der nächsten FH-Party ruhig mal jemanden ansprechen.

Danke für das Interview und viel Erfolg für die weitere Saison.

Nach oben scrollen